Unser Antrag wurde leider abgelehnt. Aus Sicht der Kooperation haben Jugendliche erst mit 18 Jahren, der Erreichung der Volljährigkeit die nötige Entscheidungsreife und politische Urteilsfähigkeit.
Redebeitrag Barbara Roos zur Stavo am 26.6.2025
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrte Damen und Herren,
wir beraten heute über ein Thema, das für die Zukunft unserer Demokratie von großer Bedeutung ist: die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Kommunalwahlen in Hessen.
Lassen Sie mich mit einer Tatsache beginnen, die zum Nachdenken anregt: Hessen gehört zu nur vier verbliebenen Bundesländern in Deutschland, die 16- und 17-Jährigen das kommunale Wahlrecht noch vorenthalten. Bayern, Sachsen und das Saarland sind die anderen drei. In elf Bundesländern dürfen Jugendliche bereits ab 16 Jahren auf kommunaler Ebene wählen, in fünf Ländern sogar bei Landtagswahlen, bei der vergangenen Europawahl konnten 16-jährige wählen, der Bundestag hatte mit Unterstützung mehrerer Fraktionen eine entsprechende Initiative für die Bundestagswahl gestartet.
Was ist also in Hessen anders? Sind hessische Jugendliche weniger reif, weniger verantwortungsbewusst oder weniger in der Lage, politische Entscheidungen zu treffen als ihre Altersgenossen in Brandenburg, Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein? Die Antwort ist eindeutig: Nein, das sind sie nicht.
Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Mit 16 Jahren dürfen Jugendliche in Hessen bereits arbeiten, einen Ausbildungsvertrag unterschreiben und Steuern zahlen. Sie können sich für einen Beruf entscheiden, der ihr weiteres Leben prägt. Sie übernehmen Verantwortung in Vereinen, engagieren sich ehrenamtlich und leisten wichtige Beiträge zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in unseren Kommunen.
Es ist ein Widerspruch in unserem System, wenn wir 16-Jährigen einerseits zutrauen, Steuern zu zahlen und eigenverantwortlich zu arbeiten, ihnen aber andererseits das Recht verweigern, über die Verwendung ihrer Steuergelder in ihrer Kommune mitzuentscheiden.
Die Kommunalpolitik betrifft junge Menschen unmittelbar. Es geht um den öffentlichen Nahverkehr, den sie täglich nutzen, um Sportstätten und Jugendzentren, um Radwege und Schulgebäude. Wer, wenn nicht sie selbst, sollte darüber mitentscheiden dürfen, wie ihre unmittelbare Lebensumwelt gestaltet wird?
Studien aus Ländern, die das Wahlalter bereits gesenkt haben, zeigen zudem: 16-Jährige treffen ihre Wahlentscheidung nicht weniger reflektiert als ältere Wählerinnen und Wähler. Im Gegenteil – die frühe Beteiligung am demokratischen Prozess fördert das politische Interesse und das dauerhafte Engagement.
Und ich möchte noch auf einen weiteren Aspekt eingehen: Wir stehen vor enormen gesellschaftlichen Herausforderungen – vom Klimawandel, zunehmenden kriegerischen Auseinandersetzungen bis zur Digitalisierung. Diese Veränderungen werden das Leben junger Menschen länger und stärker prägen als das der älteren Generationen. Ist es da nicht folgerichtig, ihnen eine Stimme zu geben bei Entscheidungen, die ihre Zukunft betreffen?
Die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Kommunalwahlen ist keine radikale Forderung. Es ist ein längst überfälliger Schritt zur Stärkung unserer Demokratie. Ein Schritt, den die meisten Bundesländer bereits gegangen sind.
Politische Teilhabe ist kein Privileg, das man sich verdienen muss, sondern ein Grundrecht in einer demokratischen Gesellschaft. Dieses Recht jungen Menschen vorzuenthalten, ohne stichhaltige Gründe, ist nicht zu rechtfertigen.
Ich appelliere daher an Sie alle: Lassen Sie uns den hessischen Jugendlichen das Vertrauen entgegenbringen, das sie verdienen. Lassen Sie uns das kommunale Wahlalter auf 16 Jahre senken und damit ein klares Signal senden: Wir nehmen die Anliegen junger Menschen ernst. Wir wollen ihre Stimmen hören. Wir glauben an ihre Fähigkeit, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.
Hinweis auf unsere Anfrage zur Stavo am 12.5.2025
Auf die Frage: „Welche Vorschläge zur weiteren Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wurden außerdem in Erwägung gezogen oder umgesetzt?“
wurde mitgeteilt:
„Die städtische Jugendförderung erarbeitet derzeit eine Neukonzeption im Sinne eines Selbstverständnisses der Kinder- und Jugendpflege in Dieburg. In diesem Rahmen werden mögliche Formate der politischen Beteiligung geprüft.“
Das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre zu senken, wäre eine gute Motivation.
Fordern wir die Hessische Landesregierung und die Fraktionen im Landtag auf, die notwendigen gesetzlichen Änderungen vorzunehmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.